Mann wendet sich von Frau ab, weil sie zu lieb ist„Je freundlicher ich bin, desto unausstehlicher wird mein Partner,“ schreibt eine Leserin und wünscht sich von mir eine Begründung dafür. Schließlich verweise ich immer wieder auf das sogenannte Gesetz der Resonanz, welches besagt, dass Gleiches Gleiches anzieht. Wenn ich also positiv denke und handle, mache ich positive Erfahrungen mit meinen Mitmenschen.
Das aber widerspricht der Tatsache, dass andere Menschen sich uns gegenüber oft richtig mies verhalten, obwohl wir höflich und liebevoll agieren. Was dahinter steckt, erfährst du im heutigen Beitrag.
Besonders wertvoll sind die, die sich selten blicken lassen.
Bestimmt kennst du dieses Verhalten aus der Familien- oder Freundeskreisstruktur. Jemand, den wir täglich oder zumindest mehrmals pro Monat sehen, bekommt von uns wesentlich weniger Aufmerksamkeit als derjenige, der sich nur halbjährlich bei uns blicken lässt. Der seltene Gast stellt also eine Rarität – etwas besonders Wertvolles – dar. In der Praxis sieht das dann so aus: Bernd und Sophie haben zwei erwachsene Kinder. Marion, die im selben Ort wohnt und sich ständig um sie kümmert und Ralf, der in Amerika lebt und nur einmal pro Jahr zu besuch kommt. Während Marion wenig Dankbarkeit für ihre Zuwendungen erhält und manchmal sogar Kritik dafür einstecken muss, wird Ralf, wenn er zu Besuch kommt, behandelt wie ein König und außerdem in die Höhe gelobt.
Mach dich rar, sei ein Star – lautet ein Sprichwort, das dieses zwischenmenschliche Phänomen ideal beschreibt.
Was hat dies mit dem Thema – zu lieb sein – zu tun?
Darauf komme ich gleich zurück. Lass mich dir vorerst anhand einer Partnerschaft aufzeigen, was passiert, wenn wir ständig zu lieb sind, es allen anderen recht machen, uns selber hintenanstellen und keine Grenzen setzen können. Sabine und Jakob dienen mir hierfür als Beispiel:
Sabine vergöttert Jakob. Sie bemüht sich stets, ihm bloß keine Umstände zu machen und ihm seine Wünsche von der Nasenspitze abzulesen. Bei Jakob führt dieses Verhalten zu einer Abwehr, die sich dadurch zeigt, dass er sich genervt gibt. Sein Selbstwertgefühl wird durch Sabines Art, ihm in allem Recht zu geben und die Schuld stetig bei sich zu suchen, gepusht. Er beginnt zu glauben, was ihm Sabine durch ihr unterwürfiges Verhalten suggeriert – nämlich, dass er besonders toll und wertvoll oder gar ein Star und somit eine Rarität ist.
Eine Frau, die Blumen hält und zu lieb istNun steht Jakob bildlich gesprochen auf der Bühne – ungefähr zwei Meter über Sabine, die von hier aus betrachtet wirkt wie ein gewöhnlicher Fan, von denen es tausende gibt. Dementsprechend behandelt er Sabine dann so wie einen lästigen Fan, der sich dankbar schätzen darf ihn zu bejubeln.
Zwischenmenschliches Hoch-Tief-Gefälle ist normal.
Natürlich ist dieses Beispiel etwas überspitzt dargestellt. In der Regel ist es häufig so, dass in der Partnerschaft die Bühne gewechselt wird. D.h. einmal fühlt sich der eine überlegen – dann wieder der andere. Was klingt wie ein schreckliches Spiel ist natürlich und in fast jeder Beziehung zu finden.
Solange sich beide Partner wertvoll fühlen und in der Lage sind dem jeweils anderen seine Grenzen aufzuzeigen, wenn er verletzend, kränkend oder unhöflich agiert, ist das völlig okay. Bloß wenn sich der Spieß so gut wie nie umdreht, ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass man zu lieb ist. Auch in anderen Beziehungskonstrukten wie zum Beispiel bei Freund- und Kollegschaften trifft dies zu.
Wenn man immer zu lieb ist, sinkt der Selbstwert. - Dahinter steckt oft ein zu niedriges Selbstwertgefühl.
Denn fühlen wir uns nicht wertvoll, so glauben wir, oft unbewusst, dass es okay ist, dass der andere uns mies behandelt.
Daher kann regelmäßiges Selbstwerttraining Sinn machen.
Quelle: honigperlen.at
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